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Euromayday Ruhrpott
Categories: bewegung

Erster Mai – Straße frei! Auch dieses Jahr ist wieder einiges los. Neben den “klassischen” Veranstaltungen wie dem autonomen bzw. revolutionären 1. Mai in Wupptertal oder Berlin gibt es 2010 das Experiment, mal was anderes auszuprobieren: der Pott erlebt seinen ersten „Euromayday“, eine Parade des Protestes gegen die Prekarisierung.

Im Aufruf zum “Euromayday Ruhr” in Dortmund heißt es:

Hast Du bezahlte Arbeit? Kannst Du davon leben? Hast Du freie Zeit? Was kannst Du Dir leisten? Kannst Du Dein Leben selbst bestimmen? Was wünscht Du Dir? Was machst Du im Alter?

Wir haben die Nase voll! Her mit dem schönen Leben – ohne Angst und Unsicherheit, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, hier und überall! Der 1. Mai ist unser Tag, um gemeinsam als Parade laut und sichtbar zu sein und unseren Wünschen Ausdruck zu verleihen. Der EuroMayDay ist eine Einladung, um gemeinsam mit anderen zu handeln, zu kämpfen und zu feiern!

Immer mehr Menschen werden Ansprüche und Garantien genommen. Sie werden in unsichere Lebensverhältnisse abgedrängt. Mittlerweile arbeiten bereits ein Drittel aller Beschäftigten unter prekären Bedingungen, das heißt in Leiharbeit, in Minijobs, in befristeten Arbeitsverhältnissen, in mies oder gar nicht bezahlten Praktika, als Ich-AG oder als papierlose MigrantInnen ohne jeglichen Schutz. Besonders in den Bereichen Pflege, Hausarbeit und Einzelhandel arbeiten zumeist Frauen, die angesichts der geringen Löhne und der niedrigen Stundenzahlen kein existenzsicherndes Einkommen erhalten. Diese Prekarisierung und der radikalisierte Wettbewerb setzen auch die so genannten Stammbelegschaften unter Druck. Allein die Anwesenheit von LeiharbeiterInnen in einem Betrieb wirkt (lohn)disziplinierend.

Wir sollen mehr arbeiten und weniger verdienen. Die Bedrohung mit Armut und Ausschluss soll uns gefügig machen, niemand sich sicher fühlen. Das entwürdigende Regime der Hartz-Gesetze erzeugt Angst. Die Entrechtung und Gängelung der Erwerbslosen mit 1-Euro-Jobs, Vorladungen, Hausdurchsuchungen oder Zwangsumzügen wird begleitet von einer widerlichen Missbrauchsdebatte, die ausgrenzen und isolieren soll.

Nach dem Ende von Kohle und Stahl ist diese Situation besonders hier im Ruhrgebiet zu spüren. Die Kommunen sind pleite und leiden unter einer hohen, verfestigten Erwerbslosigkeit. Umfassende Sparprogramme sollen jetzt helfen die Haushalte zu sanieren. Wie üblich wird dabei besonders im sozialen und soziokulturellen Bereich gespart.

Mit der Kulturhauptstadt RUHR.2010 soll der sterbende Dinosaurier Ruhrgebiet zu neuem Leben erweckt werden. Kultur wird zum Standortfaktor und Kreativität auf eine Geschäftsidee reduziert. Gerade der von der Kulturhauptstadt so gefeierte Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft ist das Modell eines stark prekarisierten Arbeitsmarktes. Er wird bestimmt von Zeitverträgen und unsicheren, selbstständigen Arbeitsverhältnissen.

Die Politik bastelt an Prestige-Projekten, wie z.B. dem Bau eines neuen Konzerthauses in Bochum oder dem Dortmunder U-Turm als Zentrum für Kunst und Kreativität. Von der Mehrheit der BewohnerInnen, die das Zeitalter von Kohle und Stahl hier zurückgelassen hat, haben sich die Verantwortlichen längst verabschiedet. Diese Mehrheit der BewohnerInnen werden von diesen Projekten des sogenannten Strukturwandels nicht profitieren.

Öffentliche Gelder müssen allen Menschen, die hier leben, zugute kommen! Kulturelle Infrastruktur muss in erster Linie soziale Infrastruktur sein! Dazu gehört ein Bildungssystem, das nicht selektiert sondern fördert, ebenso wie ein schneller, bezahlbarer, öffentlicher Nahverkehr und eine umfassende Gesundheitsversorgung sowie die Finanzierung von z.B. Stadtteilzentren und Schwimmbädern! Diese Gemeingüter gehören uns allen!

Wir bleiben nicht bei der Verteidigung der Gemeingüter stehen, sondern wissen, dass allen Menschen ein ausreichendes Einkommen zusteht. Alle Menschen sollen ihren Aufenthalts- und Wohnort frei wählen dürfen. Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, die mit patriarchalen und rassistischen Gewalt- und Herrschaftverhältnissen bricht.

Deshalb weisen wir jegliche rassistische und nationalistische Spaltung zurück. Rechte Parteien schüren den sozialen Neid und finden auch bei Teilen der bürgerlichen Mitte Unterstützung mit Kampagnen für einen Sozialstaat und Mindestlohn nur für "Volksgenossen". Unter den Slogans "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" wird Rassismus verbreitet. Die Angriffe von Neonazis gegen MigrantInnen und politische GegnerInnen nehmen zu, in den letzten Jahren wurden in Dortmund sogar mehrere Menschen von Neonazis ermordet. Die 1. Mai-Demo des DGB wurde im letzten Jahr von Neonazis angegriffen. Es geht also auch darum Dortmund ein anderes Gesicht zu geben und Solidarität zu leben.

Das Fehlen von Sicherheiten und Garantien ist uns gemeinsam: Ob wir als KünstlerInnen oder Reinigungskraft arbeiten. Ob wir akut von einer Betriebsschließung bedroht oder schon erwerbslos sind. Ob wir neben dem Studium als DJ unterwegs sind oder als neue Selbständige unser unternehmerisches Selbst vor uns her treiben. Dieses negative Gemeinsame wollen wir, trotz all unserer Unterschiedlichkeit, zu einem positiven Gemeinsamen wenden, zu einem Recht auf ein gutes Leben. Der EuroMayDay ist die Aufforderung an Euch, dieses positive Gemeinsame zum Schwingen und Tanzen zu bringen. Das meinen wir durchaus wörtlich. Wir wollen dem Wortgeklingel der Kulturhauptstadt und den Zumutungen unseres Lebens unsere Wünsche und Forderungen entgegen stellen und eine große Party auf der Straße feiern.

»Mayday, Mayday« ist das Signal, welches in Seenot geratene Schiffe aussenden. In diesem Sinne: Raus aus den Federn, es kommt auf uns alle an! Der EuroMayDay ist eine offene Parade – alle sind eingeladen, ihre Prekarisierungserfahrungen, Aneignungskämpfe, Ideen und Forderungen einzubringen. Ob mit Kostümen, Schildern, Tänzen, Musik oder anderem ist jedem und jeder selbst überlassen!

Der EuroMayDay startet am 1. Mai 2010 um 15 Uhr in Dortmund am Hauptbahnhof Nordausgang.

Die Mobiseite zum Euromayday Ruhr findet ihr auf euromayday.noblogs.org.

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