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NRW-Tag versenken
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Die Zerschlagung der autonomen 1. Mai Demo in Wuppertal und die Massenfestnahme und Kriminalisierung von 200 Menschen wird Konsequenzen haben. Die Misshandlungen und Demütigungen durch die Polizei führen nicht nur zur Einschüchterung und Rückzug, sondern mitunter zu Reaktionen und Politisierung.

Das Recht gegen soziale Ungerechtigkeit und für ein besseres Leben auf die Straße zu gehen, auf der Straße gegen Faschismus und Antisemitismus zu kämpfen, lassen wir uns von dieser dummen, frechen und brutalen Polizei nicht nehmen.
Dem Polizeipräsidenten, den verantwortlichen Polizeileitern und dem Polizeioberbürgermeister Jung, der in Wuppertal keine Polizeigewalt kennt (siehe sein Verbot der polizeikritischen Ausstellung “Vom Polizeigriff zum Übergriff” in städtischen Räumlichkeiten im Januar), können sich auf einen bunten Widerstandsommer freuen. Höhepunkt werden mit Sicherheit unsere Störaktionen, Konzerte gegen Polizeigewalt und Demonstrationen auf dem NRW-Tag am 29.-31. August 2008 in Wuppertal sein. Den können sich Jung und seine Provinzpolitiker in der Pfeife rauchen.

Wir laden daher alle protestfreudigen Menschen zum NRW-Tag nach Wuppertal ein. Es erwartet euch ein atemberaubendes Programm, die Polizei erwartet ein groß angelegte Schnitzeljagd, die Bewachung aller wichtigen PolitikerInnen, Bullen, Unternehmer, Landespolitiker, Gefängnisaufseher, Nazis, Ein Euro-Ausbeuter etc.

Ende August findet der Nordrhein-Westfalen-Tag zum zweiten Mal und diesmal in Wuppertal, statt. Das u.a. von RWE, Stadtsparkasse und Deutscher Bank gesponserte Megaevent soll 600.000 Besucher, Kunden und Investoren ins Tal locken.
“Ein solches Fest braucht natürlich starke Partner aus der Wirtschaft, die sich zu ihrer Region, dem Land und seinen Menschen bekennen. Ich freue mich, dass auch viele Firmen die Chance nutzen, die Institution ‘Nordrhein-Westfalen-Tag’ zu einem besonderen Ereignis zu machen.” meint Jürgen Rüttgers zum NRW-Tag. Um sie zu überzeugen, malt die „Wuppertal Marketing GmbH“ die Stadt in den schillerndsten Farben. Das Motto: »Wuppertal bewegt. Sich. Mich. Dich.«

Bei soviel Stärke am „Standort starker Marken und Global Player“ (offizielles Programmkonzept) ist es kaum erstaunlich, wenn die Schwachen aus dem Blickfeld oder sogar unter die Räder geraten. Denn Wuppertal ist nicht nur Schwebebahn, Aspirin, Technologiezentrum und Hightech-Unternehmen, wie die Marketinger gerne glauben machen wollen: Wuppertal sind auch die 43.000 Hartz IV-BezieherInnen ohne Perspektiven und mit zu wenig Geld; Kinder ohne Schulmittagessen; Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis; Punks, die aus der Innenstadt vertrieben werden; Migranten, die von der Polizei schikaniert und verprügelt werden; Demonstrationen, die gewaltsam aufgelöst werden; Studierende, die vor den Studiengebühren kapitulieren… .

Also kommt aus euren Städten, Dörfern und Stränden nach Wuppertal. Begegnet euren Landespolitikern Aug in Aug, beobachtet eure Bereitsschaftspolizei bei ihren Nachtwachen, seid Teil unserer humorvollen Imagebeschmutzungskampagne.
Freiheit wird nicht erbettelt, sondern erstritten! Straße frei nicht nur für den 1. Mai

Es folgt ein Gastbeitrag vom “grauen Block”

Wuppertal – Repressive Stadt im Grünen

Seit über zwanzig Jahren gehört die autonome 1. Mai-Demonstration zu den durchaus liebgewonnenen politischen Ritualen in der langen, schmalen und sehr seltsamen Aktionistenstadt im Bergischen. Nicht zuletzt deshalb war die, duch das “Ubutu”-Konzert auf dem Dach des alten Panzerkreuzers übermittelte, hedonistische Bekundung der Solidarität zum 1. Mai 2001 auch der Startpunkt für urbanistic movement 3000.

Strasse frei für den ersten Mai!

Notorisch startet der absichtsvoll noch nie angemeldete Demonstrationszug im Arbeiterquartier auf jenem anderen Berg des Elberfelder Nordens, der in der Stadtgeschichte schon oft ein Widerständischer war, um sich dann, unterhalb des Versammlungsplatzes, seinen Weg durch die prekären, schmalen Strassen hinunter zur Nord-Süd-Achse zu suchen, die es zu überwinden gilt, um schliesslich durchs Gewirr des Ölbergs zu seinem alljährlichen Ziel am Otto-Böhne-Platz zu finden.

Jahre mit weitgehend störungsfreien Verläufen wechselten sich ab mit Jahren voller kleinerer Scharmützel um Raumgewinne und wandernde Kessel. Stets jedoch durchquerte die autonome 1. Mai-Demonstration die Elberfelder Nordstadt und erreichte letztlich ihren Zielort.

Donnerstag vor drei Wochen jedoch drangen erstmals keine Traditions-Rufe nach internationaler Solidarität und keine Forderungen nach plötzlicher Umverteilung gesellschaftlicher Reichtümer durch die geöffneten Fenster der Nordstadtquartiere.

Nicht, dass darauf alllzu gespannt darauf gewartet worden wäre.

Am Abend jedoch, als in ersten Medienberichten aus Hamburg und Berlin die vorbereitete Empörung über Chaoten und Gewalttäter aus dem Archiv der Sender geholt wurde, wurde langsam klar, dass etwas im heimischen Feiertagssoundtrack gefehlt hatte.

Der Grund dafür machte im Laufe des Abends und des nächsten Tages die Runde – die Demonstration war erstmals bereits am Ausgangspunkt durch Horden gepanzerter Staatsmacht aufgehalten und gewaltsam aufgelöst worden.

Hierzu wurde der Demonstrationszug an einer strategisch günstig gelegenen Stelle eingekesselt und geteilt, es wurden Leute verprügelt, mit Pfefferspray eingenebelt und anschliessend nach und nach einzeln aus der Gruppe gezogen. Die Teilung des Demonstrationszuges in zwei Teile stellte dabei offenkundig soetwas wie einen Testlauf für zukünftige Einsatzszenarien dar.

Am Ende des somit erstmals gescheiterten Demonstrationsversuches hatten die Zugreiftruppen unterhalb des ehemaligen Exekutions- und Exerzierplatzes schliesslich über 200 Demonstranten verhaftet.

Ziel der Masseninhaftnahme war, neben der Erbeutung personenbezogener Daten, mit denen sich die Schäubleschen Präventivdateien weiter anfüttern lassen, offenkundig die Durchsetzung des ultimatives Anspruches der lokalen Polizeiführung und der Stadtspitze, keine unangemeldeten Proteste und Versammlungen in Wuppertal mehr zuzulassen.

Argumente, Anlass des Einsatzes sei ein militanter Demonstrationsverlauf gewesen, bei dem es massive Angriffe auf Polizisten gegeben habe, dürfen getrost als vorgeschoben betrachtet werden. Dass dies nicht so war, wird u.A. auch durch Videos belegt.

Und die, am Abend des 1. Mai seitens der Polizeiführung aufgestellte Behauptung, Beamte seien mit Brennspiritus bespritzt worden, womit wohl suggeriert werden sollte, Wuppertaler Autonome hätten sich brennende Polizisten gewünscht, stellte üble Hetze dar, die wohl der gleichen Inspirationsquelle entstammte, wie der seinerzeitige “Säureangriff” duch die Pustefix-Squad der clowns army am Rande des G8-Gipfels.

Einige Tage danach beschränkten sich die konkret aufrechterhaltenen Vorwürfe gegen den Demonstrationszug dann auch grösstenteils auf Verstösse gegen das Vermummungsverbot – gemeint waren hierbei auch Sonnenbrillen – und näherten sich damit der eigentlichen Motivation des Polizeieinsatzes – eben einer exemplarische Verhinderung unkontrollierter und unangemeldeter Proteste – deutlich an.

Dass an den ersten Statements der Polizeiführung wenig dran gewesen ist, liess sich dann auch aus einer nur geringen medialen Aufmerksamkeit für das Geschehen am Ostersbaum herauslesen. Die Berichte beschränkten sich auf kurze Meldungen im regionalen Presse-Umfeld und standen in keinem Verhältnis zur ausufernden Darstellung des in Hamburg und Berlin Abgelaufenen.

Angesichts der Anzahl der Verhaftungen, die in Wuppertal so hoch war, wie in Hamburg und Berlin am selben Tag zusammengerechnet, bewies das Schweigen der Presse damit nicht nur, dass der Schutz des – auch spontanen – Demonstrationsrechts für sie niemals soviel wiegt, wie brennende Autos, es bedeutete auch, dass in Wuppertal am 1.Mai eben keine, einen Bericht lohnende, Militanz stattgefunden hatte.

Das, was dieses Jahr am 1. Mai im Kiez am Platz der Republik geschehen ist, stellte jedoch nur einen neuen Höhepunkt konfrontativer Ordnungspolitik dar, die in Wuppertal seit einiger Zeit nicht-konformen Verhaltensweisen zuteil wird.

Die gewaltsame Auflösung der autonomen 1. Mai-Demo steht in einer Reihe mit brachial verdroschenen Punks im letzten Sommer, die frustriert vom G8-Gipfel zurückkehrenden Kampfgruppen unter die Knüppel gerieten, dem Verbot einer Ausstellung zu Polizeigewalt in städtischen Räumen durch OB Jung in diesem Januar, und der polizeilichen Auflösung einer Filmvorführung des Wuppertaler Medienprojektes zum gleichen Thema auf dem Willy-Brandt-Platz am Folgetag des Ausstellungsverbotes.

Ergänzt wird diese “harte Linie” der Wuppertaler Ordnungspolitik abseits der öffentlichen Wahrnehmung zudem durch zunehmend autoritärer auftretende und durch Bereitschaftspolizei in Gewaltanwendung geschulte lokale Ordnungskräfte, die immer häufiger miese Machtphantasien an Wohnungslosen, Migranten, Junkies und sonstigen “randständigen Existenzen” ausleben.

Obwohl zunehmende staatliche Repression überall ein Thema darstellt – nicht nur, wenn man an die Begleitumstände des letztjährigen G8-Gipfels denkt – lohnt es dennoch, sich einmal mit spezifischen lokalen Hintergründen dieser städtischen Eskalationsstrategie zu beschäftigen.

Dabei hilft es ausnahmsweise, einen Blick in jene Ausgabe der Westdeutschen Zeitung zu werfen, in der über den Demonstrationsverlauf am 1. Mai 2008 berichtet wird. Auf der – dem Artikel zur Demonstration gegenüberliegenden Seite, erzählt die WZ am gleichen Tag von einer seit dem Umzug der Wuppertaler Tafel in neue Räume um 20% angestiegenen Nachfrage nach Mahlzeiten und Elementarversorgung.

Keiner wie wir. Oder: Wuppertaler Befindlichkeiten.

Einen Zusammenhang zwischen beiden Artikeln stellt der lokale Medienmonopolist natürlich nicht her. Im Gegenteil. Der Anstieg bei der Inanspruchnahme einer Almosen-Notversorgung wird von der WZ albernerweise auf den verbesserten Service der Wuppertaler Tafel und das Engagement eines neuen Kochs zurückgeführt, was schliesslich sogar in der dreisten Frage an die Leser gipfelt, ob mit dem Angebot an Lebensmittelresten und Nahrungsspenden der lokalen Gastronomie und dem Wuppertaler Einzelhandel nicht eine unfaire Konkurrenz erwachsen ist.

Diese Interpretation passt im Grundton nicht nur zur – im letzten Jahr angezettelten – Kampagne der Zeitung gegen biertrinkende Menschen auf städtischen Plätzen, die sich das kultivierte Weizen im Strassencafé nebenan gar nicht leisten könnten, es passt auch zur Inszenierung einer der ärmsten und perspektivlosesten Städte Deutschlands als normale und lebenswerte Stadt ohne besonderes soziales Konfliktpotential, in der bestenfalls Einzelne ein paar selbstverschuldete Probleme haben, wo ansonsten jedoch ein niedlich-lokalpatriotisches Klima vorherrscht, mit dem die finanzpolitische Krise der Stadt schon gemeinsam gemeistert werden wird.

Dieses verlogene Selbstbild, das davon motiviert ist, im Konsens aller Wuppertaler nach Aussen einen schönen Schein zu wahren, lässt jede systemimmanente Kritik an der vorgeblich alternativlosen Politik des CDU-dominierten Stadtrates ins mediale Leere laufen. Doch wo einerseits konsumfixierte Grossinvestitionen angeschoben werden, wird an anderer Stelle unter Verweis auf Haushaltssperren bei sozialen und kulturellen Aufgaben gnadenlos gestrichen. Während einerseits zur Absicherung eines konservativ -sozialdemokratischen Proporzes im Stadtrat, einstmals mit den Stimmen der CDU gewählte, Dezernenten der Grünen ohne Aufgabenbereich voll finanziert werden, werden andererseits immer mehr öffentliche Aufgaben durch billige Ein-Euro-Kräfte erledigt.

Dies allein macht die lange, schmale und seltsame Aktionistenstadt noch nicht zu einer Besonderheit. Auch andere Städte verfahren durchaus ähnlich.

Nur an wenigen Orten jedoch sind die anwachsenden sozialen Gegensätze auf derart engem Raum anzutreffen. Die topographische Lage Wuppertals und eine gewachsene Kleinteiligkeit der einzelnen Stadtteile verhindern bislang das Entstehen reiner Armutsgebiete, wie auch die Etablierung abgesicherter Reservate für diejenigen, die noch etwas zu verlieren haben.

In Wuppertal sind Arme – aller auch hier zunehmenden Segregation zum Trotz – mitten unter den Profiteuren neoliberaler Umverteilungspolitik und mitten unter jenen, die sich in ihrer eigenen Absturzangst gerne von den bereits Abgestürzten abgrenzen würden. Daran können auch die in den letzten Jahren massiv geförderten privatisierten Einkaufstempel der Innenstadt, in denen sich Wuppertal von einer Stadt für alle in Zonen privaten Hausrechts für Wenige verwandelt hat, nichts ändern.

So durchwühlen die einen im engen Talkessel der Innenstadt den Müll auf der Suche nach Essbarem, während die anderen zeitgleich auf der Suche nach katalogisiertem Freizeitvergnügen in immer teureren Sportwagen an ihnen vorbeicruisen. So trinken die einen auf öffentlichen Plätzen gemeinsam ihre per Leergutabgabe erstandene prekäre Kanne Bier, während in Geruchsweite Gruppen von Jungerben im Strassencafé direkt nebenan sitzen und sich mit Modegetränken zuschütten.

Das Irritierende daran: Es kommt bislang kaum zu Konfrontationen.

WZ-Chefredakteur Robert Maus, dem auf öffentlichen Plätzen Biertrinkende unbehaglich sind, muss noch keine Angst haben, dass ihm seine Einkaufstüten unter Androhung von Schlägen weggenommen werden, und der stolze Neubesitzer eines Mercedes-Cabrios muss noch nicht befürchten, dass plötzlich das echte Leben zusteigt und ein neues Fahrtziel vorgibt. Die Kriminalitätsrate Wuppertals liegt deutschlandweit noch immer am untersten Ende der Statistiken.

Es herrscht bislang eine scheinbar friedliche Koexistenz zwischen jenen, die ihr motorisiertes Gemächt zur Schau stellen und jenen, die von ihrem ALG II – Regelsatz nichtmal eine Tankfüllung monatlich für das Gefährt berappen könnten.

Dem amtierenden CDU-OB Peter Jung, der seine Karriere in einem sehr dörflichen Stadtteil auf Wuppertals Südhöhen begann, ehe er im Jahr 2000 eine korrupt verkommene sozialdemokratische Erbfolgeherrschaft ablöste, ist es offenbar gelungen, der alten Industriestadt an der Wupper, die sich früher durch politische Widerborstigkeit ausgezeichnet hat, erstickende dörfliche und familiäre soziale Regelmechanismen überzustülpen. Der hierfür propagierte eher kuschelige Lokalpatriotismus mit seinem harmlosen wir Wuppertaler, funktioniert dabei wie eine kleinbürgerliche Familie, die ihre kleinen, schmutzigen Geheimnisse nicht zu Markte trägt, und in der der Hausherr eben auch bestimmt, wer dazugehört oder als Nestbeschmutzer ausgegrenzt wird. Das skurrile Label des Stadtmarketings Keiner wie wir erhält so eine ganz eigene Bedeutung.

Dieses konstruierte Wir bezieht seine Identifikation bewusst nicht aus der aktionistischen und proletarischen Geschichte der Stadt, sondern aus Traditionen grossbürgerlichen Engagements und kleingeistigen religiösen Sektierertums, das vornehmlich auf den Südhöhen des Wuppertales beheimatet ist. Wer diesem Gemeinschaftskonzept nicht entspricht, hat weder Forderungen zu stellen, noch seine Andersartigkeit offensiv und bewusst auszuleben.

Die Armen der Stadt ducken sich so unter dem schönen Schein einer rituell beschworenen bergischen Heimeligkeit, der jedoch immer weniger aufrechterhalten kann, weil es am politischen Willen fehlt, dem Niedergang einer früher wohlhabenden Industriesiedlung menschenfreundliche urbane Konzepte entgegenzusetzen. Vielfältige Beschwörungen öffentlich-privater Partnerschaften als einzigem Ausweg aus der Krise, eine bizarre Tourismusförderung zwischen putzigen Elefantenbabies und merkwürdigen Paraden pinguinförmiger Litfass-Säulen und – bei gleichzeitigem Wehklagen über den städtischen Haushalt – in den Arsch immer gleicher Grossinvestoren geblasene Mittel sind die alleinigen Mittel auf die sich die örtliche Lokalpolitik beschränkt.

Der Widerspruch zwischen einer mantraartig herbeigeredeten und -geschriebenen “lebenswerten Stadt im Grünen” und der sozialen Realität einer immer grösseren Zahl Wuppertaler nimmt auf diese Weise unaufhaltsam zu. Niemand kann garantieren, dass die fragile Harmonie andauert, und Autoagression und Resignation der Verarmten nicht doch irgendwann in berechtigte Konfliktbereitschaft und echte Agression umschlagen. Das Potential dazu ist reichlich vorhanden.

Stadtverwaltung und Polizeiführung wissen das. Es überrascht daher nicht, dass ihnen der merkwürdige Friede trügerisch erscheint.

Eine Strategie der Kontrolle

Zu gross ist der permanente Existenzdruck Vieler, und zu nah sind diese den noch leidlich funktionierenden Konsumzonen und Finanzplätzen der Stadt. Von der Elberfelder ARGE bis zum lokalen Geldspeicher eines Josef Ackermann sind es gerade zwei Fussminuten – und da ist man auf dem Weg bereits an der Filiale der Dresdner Bank vorbeigekommen… Zu gefährlich wäre es, sich in einem Umfeld, das im Ernstfall nur schwer verteidigt werden kann, auf eine echte Konfrontation mit einer verarmten Stadtbevölkerung einzulassen. Nicht umsonst eskalierte das Punktreffen in dem Moment, als die Leute begannen, in den benachbarten Kaufhof zu flüchten.

So betrachtet, erscheint es nur konsequent, Regungen von Widerstand, die über ein jederzeit kontrollier- und manipulierbares Mass hinausgehen, im Keim zu ersticken, selbst wenn diese, wie beim Klassentreffen der Punks im letzten Jahr, vordergründig gar nicht als politisch zu verorten sind.

Bei den angeführten Beispielen mit der gewaltsamen Auflösung der autonomen 1.Mai-Demonstration als Höhepunkt, handelt es sich offensichtlich nicht um einzelne Fälle von Willkür und das zufällige zeitliche Aufeinandertreffen verschiedener Ereignisse. Es handelt sich um eine konkrete Strategie der Kontrolle und Repression.

Der Stadtspitze scheint es darum zu gehen, jenen jegliche Bewegungs- und Artikulationsfreiheit zu nehmen, die von der medial durchgeführten Lobotomie der Bevölkerung noch nicht vollständig betroffen sind, und die – zumindest theoretisch – in der Lage sein könnten, allmonatlich regierungsseitig vorgetragene siegreich umgesetzte Fünfjahrespläne kapitalistischen Wirtschaftwachstums und tagtäglich tausendfach wiederholte neoliberale Lösungsvorgaben wirksam infrage zu stellen, und die – alleine deswegen – als grosse Bedrohung für die heimelige Stadtfamilie eines Peter Jung wahrgenommen werden.

Dieser Strategie der Kontrolle etwas entgegenzusetzen wird immer schwieriger, je mehr ihre Mechanismen einmal gegriffen haben. Mit jeder einschüchternden Aktion wird es schwerer fallen, eine Selbstbehauptung zu etablieren, die potentiell dazu befähigt, Ausführenden, wie dem amtierenden Oberbürgermeister, der sich gern als liberaler Kulturmensch mit sozialem Gewissen aufführt, die Charaktermaske vom Gesicht zu zerren. Es muss deshalb jetzt darum gehen, sowohl die städtische Repressionsstrategie zu durchkreuzen, als auch den einseitig verkündeten kuscheligen Niedlichkeits-Konsens aufzukündigen. Dass dieser ein vergiftetes Angebot ist, sollte Donnerstag vor drei Wochen am Ostersbaum endgültig allen klargeworden sein, und die Erfahrung, dass die Staatsmacht erstmals die örtlichen Gegebenheiten der Elberfelder Nordstadt zu ihren Gunsten auszunutzen wusste, im Übrigen als auch strategische Niederlage zur Kenntnis genommen werden.

Reclaim the streets – NRW-Tag im August

Die klare Konfrontation muss jetzt angenommen werden, bevor die städtische Linie der “Nulltoleranz” gegenüber linker Systemkritik dazu führt, dass das grosse Konfliktpotential in der Stadt von nahezu unbehelligt agierenden Rechten vereinnahmt wird, oder sich in organisierten kriminellen Strukturen verliert.

Dabei wird es bei den bevorstehenden Auseinandersetzungen nicht nur darauf ankommen, taktisches Geschick zu entwickeln, damit sich Niederlagen wie am 1. Mai nicht wiederholen, es wird auch höchste Zeit, dass sich der mittlerweile zu oft im eigenen Domizil sitzende graue Block lieber an neuen Kämpfen beteiligt, anstatt von alten Kämpfen zu reden – den Autor dieser Zeilen eingeschlossen. Auch wenn die gegenwärtig breit ausgewalzten Legenden des Jahres 1968 dazu verleiten sollen, den Kampf für eine andere Gesellschaft als abgeschlossen zu betrachten.

Die gewaltsame Zerschlagung der autonomen 1. Mai-Demonstration sollte für alle, die es sich inzwischen im Tal der Wupper bequem eingerichtet hatten, deutlich gemacht haben, dass der Kampf weitergeht, und die klaren Konfrontationen in der langen, schmalen und sehr seltsamen Aktionistenstadt längst begonnen haben. Gelegenheiten, diese Auseinandersetzung anzunehmen, wird es geben, spätestens Ende August.

Es ist zu hoffen, dass die, in der Folge der Demonstrationsauflösung, angekündigten Aktionen zum NRW-Tag (vom 29. bis 31. August), eine breite Unterstützung finden werden – gerne auch durch zahlreich angereiste Gäste. Die heftig beworbenen Feiern zum Landesjubiläum, mit der die Eigeninszenierung der Stadt einen neuen Höhepunkt erreichen soll, fordern nämlich geradezu dazu heraus, das von Stadtspitze und Honoratioren medienwirksam dargebotene falsche Bild Wuppertals ebenso medienwirksam geradezurücken.

Auf dass ihnen ihre, zum NRW-Tag entwickelte Marketingphrase Wuppertal bewegt. Sich. Mich. Dich. in überraschender Weise heftig auf die Füsse fällt.

Weitere Informationen zum NRW-Tag findet ihr auf nrwtagversenken.blogsport.de, nrwtag2008.blogsport.de und erstermaiw.blogsport.de

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