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Rote Flora ver­tei­di­gen!
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Rote Flora ver­tei­di­gen – Es­so-​Häu­ser durch­set­zen! Gegen ras­sis­ti­sche Zu­stän­de – Blei­be­recht für alle! Mit einer bun­des­wei­ten und in­ter­na­tio­na­len De­mons­tra­ti­on am 21. De­zember in Ham­burg wird deut­lich gema­cht, dass mit mas­si­vem Wi­der­stand zu rech­nen ist, soll­te ver­sucht wer­den, die Rote Flora zu räu­men. In­halt­li­che Schwer­punk­te sind die ak­tu­el­len Kämp­fe um den Er­halt der Es­so-​Häu­ser, das Blei­be­recht der Flücht­lin­ge und die ra­di­ka­le Kri­tik an Re­pres­si­on und Ge­fah­ren­ge­bie­ten.

Im Ok­to­ber die­sen Jah­res hat die seit 24 Jah­ren be­setz­te Rote Flora eine Kam­pa­gne zu ihrer Ver­tei­di­gung aus­ge­ru­fen. Der for­ma­le Pri­vat­ei­gen­tü­mer Kret­sch­mer und In­ves­tor Gert Baer wol­len den be­setz­ten Sta­tus des ehe­mals städ­ti­schen Ge­bäu­des be­en­den und eine Klage gegen den ak­tu­el­len Be­bau­ungs­plan ein­rei­chen. Sie haben an­ge­kün­digt, aus der Flora ein sechs­stö­cki­ges Ge­bäu­de mit Kon­zert­hal­le für 2500 Be­su­cher_in­nen, in­te­grier­tem Stadt­teil­zen­trum, Ver­kaufs­flä­chen und Bü­ro­räu­men nebst Kita und drei­stö­cki­ger Tief­ga­ra­ge zu er­rich­ten. Zur Um­set­zung wird die Grün­dung einer Ak­ti­en­ge­sell­schaft mit in­ter­na­tio­na­len In­ves­to­ren an­ge­strebt.

Un­ver­träg­lich blei­ben!

Baer und Kret­sch­mer kri­ti­sie­ren öf­fent­lich, dass die Ham­bur­ger Ha­fen­stra­ße in den Acht­zi­ger Jah­ren nicht ge­räumt wurde und er­klä­ren die Rote Flora zu einem ge­gen­tei­li­gen po­li­ti­schen Mo­dell­fall. Ihr Ziel ist laut Pres­se­mit­tei­lung, die Be­set­zer_in­nen­sze­ne zu de­mo­ra­li­sie­ren und neuen Haus­be­set­zun­gen durch die Zer­schla­gung der Flora in Zu­kunft keine Per­spek­ti­ve mehr zu bie­ten. Ihr An­griff rich­tet sich ideo­lo­gisch nicht nur gegen die Rote Flora als ein­zel­nes lo­ka­les Pro­jekt, son­dern sie ver­ste­hen ihr En­ga­ge­ment als po­li­ti­sches State­ment gegen Haus­be­set­zun­gen ins­ge­samt. Die meh­re­ren hun­dert Nut­zer_in­nen des Hau­ses be­zeich­net Baer in­zwi­schen als »kri­mi­nel­le und ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gung«.

Auf­grund der kon­kre­ten Be­dro­hung wurde im Rah­men einer Voll­ver­samm­lung bun­des­weit und in­ter­na­tio­nal zu So­li­da­ri­täts­ak­tio­nen auf­ge­ru­fen. Schon bevor bei ir­gend­wel­chen neuen Geld­ge­ber_in­nen Hoff­nung auf Ge­winn­ma­xi­mie­rung ent­steht, soll durch über­re­gio­na­le Schlag­zei­len und Ab­schre­ckung ein ne­ga­ti­ves Image des In­ves­to­ren­pro­jek­tes ent­ste­hen und deut­lich wer­den, dass ein sol­cher Plan mehr Scha­den an­rich­tet als Ge­win­ne bringt.

Auf Be­schwich­ti­gun­gen der Po­li­tik wird sich die Rote Flora nicht ver­las­sen. Sa­nie­rungs-​ und Be­bau­ungs­plä­ne kön­nen sich eben­so än­dern wie die Hal­tun­gen von Po­li­ti­ker_in­nen und Me­di­en. Die Linie des re­gie­ren­den Se­na­tes scheint dar­über hin­aus vor allem darin zu be­ste­hen, sich selbst aus der po­li­ti­schen Schuss­li­nie zu brin­gen. Durch Pri­va­ti­sie­run­gen wer­den un­be­que­me Ent­schei­dun­gen über die Pri­vat­wirt­schaft ge­re­gelt, wäh­rend die Po­li­tik ihre Hände in Un­schuld wäscht. Dies er­in­nert nicht nur an die Ab­riss be­droh­ten Es­so-​Häu­ser an der Ree­per­bahn, son­dern auch an die Aus­ein­an­der­set­zun­gen um das Un­g­domshu­set in Ko­pen­ha­gen.

Von der Roten Flora wurde immer klar­ge­stellt, dass der ak­tu­el­le Kon­flikt in ers­ter Linie einer um Stadt und Ge­sell­schaft selbst ist. Die Aus­ein­an­der­set­zung geht nicht nur um das Ge­mäu­er am Schul­ter­blatt, son­dern ist Teil von und be­zieht sich auf die Ver­hält­nis­se, die es um­ge­ben. Es geht uns im Kampf um die Flora nicht nur um den Er­halt des Hau­ses, son­dern um die Flora als po­li­ti­sches Pro­jekt und po­li­ti­sche Idee. Wir sind uns be­wusst, dass wir eine mög­li­che Räu­mung ver­mut­lich nur im Vor­feld po­li­tisch ver­hin­dern kön­nen. Durch brei­te So­li­da­ri­tät und star­ke Be­we­gun­gen, die sich nicht nur in Ver­tei­di­gungs­hal­tung be­ge­ben, son­dern die Ver­än­de­rung der Ver­hält­nis­se zum Aus­gangs­punkt ma­chen.

Shut Down Fort­ress Eu­ro­pe!

Die letz­ten Mo­na­te und Wo­chen waren bun­des­weit ge­prägt vom Kampf der Re­fu­gees um Blei­be­recht. In Ham­burg wurde wo­chen­lang im Rah­men spon­ta­ner De­mons­tra­tio­nen und Pro­tes­te auf die Stra­ße ge­gan­gen, um ras­sis­ti­sche Kon­trol­len zu stop­pen, auf­grund derer Re­fu­gees aus Lam­pe­du­sa in der Per­spek­ti­ve ab­ge­scho­ben wer­den sol­len. Durch un­ter­schied­li­che Pro­test-​ und Ak­ti­ons­for­men, die sich selbst­stän­dig und un­kon­trol­liert in Be­we­gung set­zen, ist es ge­lun­gen, die Lan­des­re­gie­rung vor­über­ge­hend in die De­fen­si­ve zu brin­gen. Mitt­ler­wei­le wird ver­sucht, die Grup­pe der Flücht­lin­ge aus Lam­pe­du­sa zu spal­ten, indem die Kir­chen­füh­rung als Hebel der Se­nats­po­li­tik ein­ge­setzt wird.

Umso wich­ti­ger ist, dass sich alle Pro­test­spek­tren deut­lich und ent­schlos­sen zu Wort mel­den. Der dau­er­haf­te Stopp der ras­sis­ti­schen Kon­trol­len ist keine Ver­hand­lungs­mas­se in der Aus­ein­an­der­set­zung um das Blei­be­recht der Lam­pe­du­sa Flücht­lin­ge. Blei­be­recht keine Frage des Her­kunfts­lan­des oder einer Ein­zel­fall­prü­fung als Ab­schie­bung auf Raten. Dau­er­haf­tes, un­be­schränk­tes Blei­be­recht und Be­we­gungs­frei­heit für alle – Du­blin II ab­schaf­fen!

Wäh­rend sich in Ham­burg, Ber­lin und an­de­ren Städ­ten viele Men­schen mit den Kämp­fen der Re­fu­gees so­li­da­ri­sie­ren, kam es in der Pe­ri­phe­rie der Städ­te oder länd­li­chen Räu­men in den ver­gan­ge­nen Wo­chen immer öfter zu ras­sis­ti­schen Mo­bi­li­sie­run­gen von An­woh­ner_in­nen und einer Serie von Brand­an­schlä­gen auf Un­ter­künf­te von Ge­flüch­te­ten. Ras­sis­mus kommt nach wie vor aus der Mitte der Ge­sell­schaft und staat­li­che An­grif­fe auf Flücht­lin­ge be­för­dern po­pu­lis­ti­sche Stim­mun­gen. Eine an­ti­fa­schis­ti­sche Pra­xis ist und bleibt daher eben­so un­ver­zicht­bar wie ein an­ti­ras­sis­ti­scher Bezug in stadt­po­li­ti­schen Kämp­fen.

Ka­pi­ta­lis­ti­sche Stadt­ent­wick­lung

Ein an­de­res Bei­spiel wie sich Kämp­fe in der Stadt über­kreu­zen und auf­ein­an­der be­zie­hen kön­nen, bil­den die Es­so-​Häu­ser auf St. Pauli. Über 100 Mie­ter_in­nen sol­len dort ver­trie­ben wer­den und ein rie­si­ger Neu­bau mit Lu­xus­woh­nun­gen ent­ste­hen. Be­ste­hen­de Clubs und Läden sol­len dicht­ma­chen und durch hoch­prei­si­ges Ge­wer­be er­setzt wer­den. Es wird ver­sucht, die In­ter­es­sen der Be­woh­ner_in­nen gegen die der An­woh­ner_in­nen aus­zu­spie­len und die Po­li­tik hat jede er­denk­li­che städ­te­bau­po­li­ti­sche Al­ter­na­ti­ve fal­len las­sen, um dem In­ves­tor Bay­ri­sche Haus­bau den Weg zu ebnen. Erste Kün­di­gun­gen wur­den für das Früh­jahr 2014 aus­ge­spro­chen.

Sämt­li­che Op­tio­nen auf einen Er­halt des Ge­bäu­des oder eine Neu­ge­stal­tung im In­ter­es­se der Be­woh­ner_in­nen und An­woh­ner_in­nen wur­den ver­baut, sämt­li­che Türen ver­schlos­sen. Nur ein sich ra­di­ka­li­sie­ren­der Wi­der­stand und brei­te Pro­tes­te schei­nen die ver­meint­lich al­ter­na­tiv­lo­se Si­tua­ti­on noch kip­pen zu kön­nen. Ob­wohl die Zu­sam­men­set­zung des Wi­der­stan­des auf St. Pauli sehr viel he­te­ro­ge­ner ist, ste­hen die Rote Flora und die Es­so-​Häu­ser vor einem ver­blüf­fend ähn­li­chen Pro­blem. Die Stadt pri­va­ti­siert den Kon­flikt und gibt sich un­be­tei­ligt. Im Er­geb­nis er­schei­nen mas­si­ve Pro­tes­te und eine Es­ka­la­ti­on als ein­zi­ge Per­spek­ti­ve gegen eine Po­li­tik, die ihre po­li­ti­schen Ziel­set­zun­gen als ka­pi­ta­lis­ti­sche Sach­zwän­ge durch­zu­set­zen ver­sucht.

Für die Aus­wei­tung der Kämp­fe

Städ­te sind welt­weit Orte von po­li­ti­schen Kämp­fen und immer öfter be­zie­hen sich diese auf­ein­an­der und ver­net­zen sich. Nicht nur die Fra­ge­stel­lun­gen und In­ves­to­ren­ar­chi­tek­tu­ren über­schnei­den sich, wenn in Istan­bul, Athen, Bar­ce­lo­na, Frank­furt, Ber­lin, Ams­ter­dam oder Ko­pen­ha­gen gegen Gen­tri­fi­zie­rung, Zwangs­räu­mun­gen oder stei­gen­de Mie­ten de­mons­triert wird, son­dern immer häu­fi­ger auch Pro­tes­ter­fah­run­gen und po­li­ti­sche Ziel­set­zun­gen.

Po­li­ti­sche Be­we­gun­gen ent­ste­hen dabei neu und bil­den sich aus der so­zia­len Basis in den Städ­ten. Der Kampf für den Er­halt der Roten Flora über­kreuzt sich mit Kämp­fen an­de­rer be­setz­ter Häu­ser und Stadt­teil­pro­jek­te welt­weit. Es gibt Wi­der­stand von Mie­ter_in­nen gegen Auf­wer­tung und Ver­trei­bung. Pro­test gegen die Pri­va­ti­sie­rung des Städ­ti­schen, Selbst­or­ga­ni­sie­rung und Sa­bo­ta­ge gegen Re­pres­si­on und das men­schen­ver­ach­ten­de Sys­tem aus Ab­schie­bung und Ab­schot­tung der Au­ßen­gren­zen.

Die Rote Flora ist nur einer von vie­len Orten, an dem sich diese Aus­ein­an­der­set­zun­gen der­zeit im Pro­test wi­der­spie­geln. Es geht für uns weder an der Flora noch bei den Es­so-​Häu­sern noch im Cen­tro So­cia­le oder an­de­ren um­kämpf­ten Räu­men um ein­zel­ne Pro­jek­te. Es geht um ein ra­di­kal an­de­res Ver­ständ­nis von Stadt und Ge­sell­schaft. Um grenz­über­schrei­ten­de So­li­da­ri­tät, eine Pra­xis der An­eig­nung und die Ver­ge­sell­schaf­tung des Be­ste­hen­den, um ka­pi­ta­lis­ti­sche Zwän­ge und pa­tri­ar­cha­le Nor­men an­zu­grei­fen.

Right to the City – Fight Ca­pi­ta­lism!
No Bor­der – No Na­ti­on!

Weitere Informationen findet ihr auf florableibt.​blogsport.​de.

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