Kein Tag ohne!
Autonomes Zentrum Köln bleibt!
Das Autonome Zentrum Köln ist in den letzten 2 Jahren ein wichtiger Bezugspunkt und Teil des Lebens von vielen Menschen geworden. Verschiedenste Nutzer_innen gestalten die Räume und nutzen das Gebäude als Treffpunkt. Hierbei steht das Ziel im Vordergrund, bewusst mit Diskriminierung und Ausgrenzung umzugehen und möglichst vielen Menschen, die sich nicht in institutionalisierte Kultur und Politik einbringen können und wollen eine Anlaufstelle zu geben. Mit über tausend Veranstaltungen und tausenden Besucher_innen konnte das ehemals leerstehende Haus mit Leben gefüllt werden – und bisher ist nur ein Bruchteil unserer Wünsche und Ideen verwirklicht.
Nach der Besetzung des Hauses am 16. April 2010 wurden 2 Räumungsversuche abgewendet. Beim letzten Versuch im Frühjahr 2011 wurde dabei 4 Tage und Nächte hinter Barrikaden ausgeharrt und eine entschlossene Gegenwehr organisiert. Solidarität erreichte uns von den verschiedensten Initiativen und Vereinigungen in Köln, von emanzipatorischen Projekten in der BRD und weit darüber hinaus. Dank der vielfältigen und zahlreichen Unterstützer_innen sah sich die Sparkasse als Eigentümerin des Gebäudes gezwungen einen mietfreien Nutzungsvertrag zu unterzeichnen.
Was wir wollen ist nicht viel, Selbstbestimmung ist das Ziel
Unsere unmittelbar mit der Besetzung verbundene Forderung war lediglich, dass es in dieser Stadt Platz geben muss für unkommerzielle Kultur, einen Freiraum für Selbstbestimmung und Selbstorganisation. Diese Forderung war nicht an die politische Klasse in Köln gerichtet. Sie ist Ausdruck unseres Rechts auf Stadt und lässt sich nicht einfach ignorieren, wegplanen und unterdrücken. Wir haben ganz praktisch die Frage aufgeworfen: Ist in dieser Gesellschaft ein Ort für unkommerzielle, staatsunabhängige Kultur und Politik möglich?
In unserer Selbstorganisation sind wir dabei fragend vorangeschritten und haben viel gelernt. Wir sind dabei einige Kompromisse eingegangen und in anderen Fragen konsequent geblieben. Wir haben beispielsweise einen offiziellen Verein gegründet, obwohl dies mit unseren Vorstellungen von hierarchiefreier Selbstorganisation nicht zusammenpasst. Damit haben wir der Forderung der politischen Parteien -insbesondere der SPD- für die Weiterexistenz des AZ entsprochen. Mangelnde Gesprächsbereitschaft kann man uns jedenfalls nicht vorwerfen.
Wer die Macht hat, hat das Recht?
Mit der Vertragsunterzeichnung endete (vorerst) die Zeit der Besetzung, und es wurde viel Arbeit in das Haus gesteckt. Strom und Wasseranschlüsse konnten wieder hergestellt werden, und es bestand einen kurzen Moment die Aussicht auf einen dauerhaften Bestand des Zentrums. Doch das AZ wurde schon sehr bald Gegenstand von Angriffen aus der lokalen Politik. Mittlerweile ist das Haus in das Eigentum der Stadt übergegangen. Die Politiker_innen, die nunmehr keine anderen mehr vorschicken können, organisieren in seltenem Einklang die Zerstörung des Hauses. Zur Legitimierung fällt ihnen dafür nichts ein als einen Grünstreifen der dringend an dieser Stelle benötigt würde. Der Vorwand ist so verlogen wie durchschaubar.
Dieser Angriff der „Schreibtischtäter_innen“ auf einen Ort selbst-organisierter Kultur und parteiunabhängiger, autonomer Politik erfolgt ausschließlich aus dem Motiv, diese Art der Selbstorganisation zu zerschlagen und zu unterdrücken. Die Botschaft der politischen Klasse ist: „Nein. Für Euch gibt es hier keinen Platz.“ Und: „Wir haben die Macht – in Form tausender Polizist_innen – Euch platt zu machen!“
Dies zeigt mehr als deutlich die geballte Ignoranz gegenüber den Menschen in der Stadt und den entschlossenen Willen alles was außerhalb des etablierten und kontrollierten Rahmens passiert zu unterdrücken und zur Durchsetzung auch auf massiven Einsatz von Gewalt in Form der Polizei zu setzen.
In vielen Städten weltweit organisieren sich Menschen mit dem Anspruch ihr Recht auf ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben, bezahlbaren Wohnraum, eigene Entfaltung und eine Perspektive auf gemeinsame Gestaltung ihres Lebens einzufordern. Und überall ist die Antwort der Staatsapparate die gleiche. Im Kapitalismus ist jenseits von Armut, Lohnarbeit und geldabhängigem Konsum für viele Menschen und ihre Bedürfnisse kein Platz. Ihre Initiativen sollen im Keim erstickt werden – eine staatliche Übermacht wird aufgefahren, um diesen Träumen gewaltsam ein Ende zu bereiten.
Auch unser bescheidenes Projekt sehen wir in diesem Kontext. Auf keinen Fall werden wir die Zerstörung dieses Hauses hinnehmen! Und dies aus einem einfachen Grund: Damit würde ein Teil der Hoffnung auf ein anderes, besseres Leben zerstört. Es gibt hier viel mehr zu verlieren als ein Haus und damit auch deutlich mehr Gründe sich zu wehren und zu kämpfen.
Widerstand ist angebracht!
Gerade jetzt, wo bekannt geworden ist, dass eine neofaschistische Gruppe ein Jahrzehnt lang Menschen ermorden konnte und sie sich dabei auf die Ignoranz und zumindest die indirekte Unterstützung von Polizei und Verfassungsschutz verlassen konnten, ist ein staatsunabhängiger Antifaschismus unverzichtbar.
Wenn die Stadt Köln und die verantwortlichen Parteien gerade in dieser Situation der rechten Forderung nachgeben und das Autonome Zentrum schließen, von dem aus konsequent Gegenwehr gegen neonazistische Umtriebe organisiert wird und das es sich zum Ziel gesetzt hat sexistischen, homophoben, rassistischen und finanziellen Ausgrenzungen entgegenzuwirken, ist dies ein fatales Zeichen.
Uns geht es dabei um eine anti-faschistische Gegenkultur und den Entwurf eines anderen Miteinanders, das sich den gewaltsamen Verhältnissen in dieser Gesellschaft entgegenstellt.
Es mag sein, dass viele Menschen im Autonomen Zentrum nicht in das Weltbild der bürgerlichen „Mitte“ passen und passen wollen. Doch die Versuche, die unweigerlich kommen werden, ein Projekt wie das Autonome Zentrum aufgrund seines linksradikalen Selbstverständnisses und emanzipatorischer Bestrebungen mit mordendem Faschismus gleichzusetzen, sind völlig unhaltbar. Diese Argumentation, die ausschließlich den Rassist_innen in die Hände spielt, die sich manchmal doch ach so „mittig“ geben – und siehe Sarrazin – längst nicht nur in Parteien wie „ProKöln“ zu finden sind.
Wer ist hier „extrem“?
Dieses Konstrukt des „Extremismus“, das Parteien oder Medien früher oder später gegen das AZ auffahren werden, ist nicht mehr und nicht weniger als die verlogene Selbstschutzbehauptung einer eigentlich heilen Welt. Sie dient ausschließlich dazu jegliche Kritik zu delegitimieren und auch gewaltsam zu unterdrücken und die eigene Machtstellung unangreifbar zu machen.
Wer sagt eigentlich, dass es nicht extrem ist, dass jedes Jahr tausende Menschen vor den Mauern der Festung Europa ums Leben kommen? Wer sagt, dass die Krisenverschärfungspolitik in Griechenland nicht extrem sei? Wer findet die Drangsalierung von Hartz4-Empfänger_innen nicht extrem? Die Arbeitsbedingungen zu Niedriglöhnen? Die aktuellen Abschiebungen in den Kosovo? Rassistische Kontrollen und Polizeigewalt?
Ist es nicht „extremistischer“ mit aller (Staats-)Gewalt an Kapitalismus und Nationalismus festzuhalten? Anstatt nach anderen Möglichkeiten zu suchen bei denen die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund stehen?
Solidarität ist unsere Waffe
Wir werden uns mit diesen Verhältnissen jedenfalls nicht abfinden. Und Ruhe im Stadtteil Kalk oder im sonstigen Köln schafft eine Räumung des AZ sicher nicht.
Wir rufen Euch alle dazu auf, Euch den unterschiedlichsten Formen unseres Widerstandes anzuschließen – ob bunt, militant, kreativ, entschlossen, ob per Unterschrift und Solidaritätserklärung, auf Demos oder auf den Barrikaden.
Diesmal geht es darum ein Haus zu verteidigen, doch der Angriff, der stumpf und stumm hinter verschlossenen Türen und ohne den Versuch einer Begründung stattfindet, meint alle Formen von Selbstorganisation und Widerstand gegen die immer erdrückenderen und perspektivlosen Verhältnisse. Lassen wir dies nicht einfach so geschehen!
Beteiligt Euch an der Kampagne „Kein Tag ohne“ zum Erhalt des AZs. Organisiert Euch in euren Stadtteilen und Städten. Gehen wir auf die Straßen und wehren uns gemeinsam gegen die vielen kleinen und großen Angriffe auf unser Leben.
Wir sehen uns auf der Straße, wir sehen uns im AZ!
Kein Tag ohne!
Wie es weiter geht mit dem AZ erfahrt ihr unter: keintagohne.az-koeln.org